Ein Arzt verwendet in seiner Praxis ein Desinfektionsmittel, was auch nach den Vorgaben des Robert Koch-Institutes (RKI) als geeignet eingestuft werden kann. Das Flächendesinfektionsmittel ist ein Medizinprodukt der Klasse IIa, erkennbar an der Kennzeichnung mit dem CE-zeichen und der 4-stelligen Nummer. Mit dem Produkt werden Untersuchungliegen und Oberflächen von Medizinprodukten desinfiziert, aber auch andere Einrichtungsgegenstände und zum Teil sogar der Fußboden. Der Arzt möchte nosokomiale Infektionen vermeiden. Eine Behörde allerdings moniert plötzlich, dass Oberflächen von Nichtmedizinprodukten (z.B. ein Schreibtisch) mit einem Biozid aufbereitet werden müssen. Zwar sind auch einige Desinfektionsmittel, die Medizinprodukte sind auch als Biozide ausgelobt, doch im Normalfall finden sich Desinfektionsmittel als Biozide im Supermarkt oder werden bei der Desinfektion von Küchen verwendet. Was steckt hinter der Diskussion?
Ein Produkt ist dann ein Medizinprodukt, wenn es zum Zwecke der Verhütung von Krankheiten eingesetzt wird (siehe §3 Ia MPG). Dies ist bei einem Desinfektionsmittel, was im medizinischen Bereich eingesetzt wird, grundsätzlich gegeben. Ein Arzt setzt das Produkt ein, um eine Infektion seiner Patienten zu verhindern, unabhängig davon, ob die Fläche selbst ein Medizinprodukt oder eine gewöhnlicher Einrichtungsgegenstand ist.
Ein Biozidprodukt ist in den Augen des Gesetzgebers ein Produkt, was biozide Eigenschaften hat, also Mikroorganismen bedroht oder abtötet, ohne gezielt eingesetzt zu werden. Es könnte diverse Gefahren auslösen, deshalb ist es „sicher zu verwenden“ und gehört nicht in Kinderhände. Gemeint sind die vielen Schimmelprodukte und undefinierten Hygieneprodukte, deren Wirkung ungesichert und deren Risiken unerforscht sind. Von daher wurde die Biozidverordnung eingeführt, aber Medizinprodukte aus dieser Regelung bewusst ausgeklammert.
In Deutschland herrscht bei Juristen bei der Zuordnung von Rechtsgebieten die Haltung des „entweder, oder“ vor. Das heißt, ein Medizinprodukt kann kein Arzneimittel sein (steht so im Gesetz) und ein Biozid nach dieser Auffassung kein Medizinprodukt sein (steht nicht explizit im Gesetzestext).
Grundsätzlich dient ein Desinfektionsmittel, welches ein Medizinprodukt ist, zum Abtöten von spezifischen Krankheitserregern, ein Biozid hingegen ist halt einfach nur ein Biozid und wirkt gegen diverse Bakterien, Pilze und eventuell auch Viren, unabhängig davon, ob diese krank machen. Das Medizinprodukterecht schlägt damit das Biozidrecht, es hat eine entsprechend höhere Regelungsqualität.
Eine andere Meinung, die im europäischen Ausland (z.B. Niederlande) verbreitet ist, zieht den sogenannten „dual use“ vor. Demnach kann ein Medizinprodukt gleichzeitig auch ein Biozid sein. Dies wird zum Beispiel bei Desinfektionsmitteln bereits in Deutschland praktiziert, wenn neben der Nutzung eines Desinfektionsmittels für Küchen (Biozid) auch eine Eignung für die Aufbereitung medizinischer Flächen (Medizinprodukt) ausgelobt wird. Produkte, die gezielt für medizinische Zwecke eingesetzt werden, sollten demnach rein als Medizinprodukt ausgelobt werden. Das RKI gibt klar vor, was ein geeignetes Desinfektionsmittel für medizinische Einrichtungen ist, da fällt das Biozid aus dem Supermarkt nicht drunter!
Wenn also ein Mediziner seinen Schreibtisch, an dem er zum Teil infizierte Patienten berät, desinfiziert, um andere Patienten vor diesen Infektionskrankheiten zu schützen, wäre es ja mehr als fahrlässig, wenn er „nur“ ein Biozid einsetzt. Er möchte seine Patienten vor Infektionen gezielt und sicher schützen, also greift er auf das validierte Medizinprodukt und nicht auf ein Biozid zurück.
Eine Behörde, die für die Desinfektion des Schreibtisches nur ein Biozid vorsieht, ist praxisfern und kennt nicht den Gesetzeszweck des Medizinprodukterechtes. Die Freunde des Biozides führen hier an, dass grundsätzlich das Desinfektionsmittel als Medizinprodukt für die Aufbereitung von Medizinprodukten dient , das Biozid zur Desinfektion von „anderen“ Flächen. Aus dem reinen Gesetzestext läßt sich das so aber nicht rauslesen. Aus unserer Sicht steht aber der Patientenschutz absolut im Vordergrund, auch die Schreibtischkante ist mit einem geeigneten Desinfektionsmittel du desinfizieren. Bei genauer Betrachtung der Aufbereitung von Praxiseinrichtung stellt sich vielmehr die Frage, ob auch das gesamte Praxismobiliar unter das Medizinprodukterecht fallen müsste (was dann doch etwas zu weit gegriffen ist).
Zu guter Letzt: Wenn es verboten ist, den Arztschreibtisch „nur“mit einen Medizinprodukt zu desinfizieren, dürfen auf der anderen Seite auch keine Pflaster für die medizinische Versorgung von Puppen in Kindergärten eingesetzt werden!
Wie ist Sagrotan zu bewerten?Gibt es in sensorisch ausgelösten Spendern.Ist es zur Händedesinfektion zugelassen? IST EIN SCHREIBTISCH IM BEHANDLUNGSRAUM ANDERS ZU DESINFIZIEREN ,WIE Z.B. IN DER ANMELDUNG?
MFG
Ch DORN
Sehr geehrter Dr. Dorn, das von ihnen genannte Desinfektionsmittel ist ein Biozid aus dem Consumerbereich für die Nutzung im Haushalt. Es ist kein Medizinprodukt und damit nicht für den medizinischen Bereich zur Verhinderung von Infektionserkrankungen vorgesehen. Insbesondere die Oberflächen Ihrer Medizinprodukte, z.B. Behandlungsstuhl, sind mit einem Medizinprodukt aufzubereiten. Das von Ihnen genannte Produkt lobt aus, 99,9% von Bakterien, Pilzen und bestimmter Viren abzutöten, bei Medizinprodukten gehen die aktuellen Normen von mindestens 5 Log-Stufen aus, also 99,999%.
Ihre Frage nach Spendern zielt sicher auf berührungslose Geräte. Auch hier gibt es die ersten Spender, die für den Einsatz in Praxen geeignet sind. Wichtig ist hier, dass die Spender nicht nur in der Praxis sich bewähren (Stromversorgung, Dosiermenge, geeignete Sensoren…) sondern auch in regelmäßigen Abständen aufbereitet werden können.
Ob Ihr Schreibtisch tatsächlich gesondert desinfiziert werden muss, hängt vom Standort und der Nutzung ab. Flächen, die ein Risiko in Bezug auf Patientenkontakt und Kreuzkontamination darstellen, sollten auch in einem Reinigungs- und Desinfektionsplan aufgenommen werden. Vielen Dank für Ihren Beitrag.