Die Zeit: Medizin-Mythen

In der Zeit 43/2014 findet sich ein Artikel von Jan Schweizer zu Medizin-Mythen. Dabei geht es auch um Themen, die uns im Bereich der Hygiene betreffen. Von daher für uns der Anlass über drei der angesprochenen Medizin-Mythen nachzudenken.

http://www.zeit.de/2014/43/medizin-mythen

„Die Hände sollte man nach dem Toilettengang nicht nur waschen, sondern desinfizieren …

Die Hände mit normaler Seife zu waschen reicht völlig aus. Wer sie desinfiziert, tötet nicht nur gefährliche Keime ab, sondern auch die vielen nützlichen Bakterien, die der Haut helfen, die schädlichen in ihrer Anzahl zu reduzieren. Zusätzlich trocknen Desinfektionsmittel die Haut aus. Also: Finger weg.“

Dies entspricht auch der grundsätzlichen Haltung, die viele Hygieniker empfehlen, sofern es sich um den Privatbereich handelt. Die Rolle der Händedesinfektion für Personal im medizinischen Bereich ist unumstritten. Fehlende Händedesinfektion ist eine der Hauptursachen für die Übertragung vieler nokomialer Infektionen.

Anders im privaten Umfeld. Die Privatperson ist nicht auf ein Händedesinfektionsmittel eingewiesen. Es muss davon ausgegangen werden, dass nicht eingewiesene Personen viel zu wenig Produkt benutzen, es nicht richtig auf die Hände verteilen, die Einwirkzeiten nicht einhalten und im Zweifel durch vorhergehendes Händewaschen die Wirksamkeit der Händedesinfektion herabsetzen würden.

Händewaschen sollte jedoch für alle kein besonders großes Problem darstellen. Studien haben vielfach gezeigt: Regelmäßiges Händewaschen reduziert in ausreichender Weise Keime auf der Haut um Krankheiten zu vermeiden. Mit ilfe von Wasser und Seife lassen sich Grippe und Durchfallerkrankungen durchaus vermeiden.

 „… denn: Der keimbelastetste Ort ist die Toilette

Natürlich soll dieser Text nicht dazu animieren, das Abendbrot von der Klobrille zu essen, aber: Man könnte es. Zumindest, wenn es um die durchschnittliche Klobrille geht. Deren Keimbelastung ist nämlich meist deutlich geringer als die in der Küchenspüle. Oder die auf einer Computertastatur. Diese wird von einer vierhundertfachen Anzahl von Mikroben besiedelt gegenüber einem normalen Toilettensitz. Man kann sich also ganz beruhigt auch auf fremde Klobrillen setzen.“

Keime sitzen sicherlich nicht nur auf Toiletten. Dennoch halten wir diesen Teil des Textes nicht unbedingt für richtig. Gerade über menschliche Ausscheidungen werden ein Großteil pathogener Keime verteilt. Besonders öffentliche Toiletten können ein Reservoir für Erkrankungen von Magen und Darm sein. Aus unserer Sicht ist die Küchenspüle ein weitaus harmloserer Ort, als die Toilette.

„Kinder, die Kinderkrankheiten wie Masern durchmachen, haben ein besser geschultes Immunsystem

Eines kann man sicher sagen: Wenn Kinder an Masern erkranken, müssen sie nicht nur sinnlos leiden, sie schweben in der nicht zu unterschätzenden Gefahr, auch an einer Lungenentzündung zu erkranken oder gar an einer Entzündung des Gehirns (Enzephalitis). Beide Erkrankungen können tödlich verlaufen. Lohnt es sich also, auf eine Masernimpfung zu verzichten und dieses Risiko einzugehen, nur um ein vermeintlich schlagkräftigeres Immunsystem zu haben? Nicht einmal das stimmt. Nichts deutet darauf hin, dass durchlittene Infektionen tatsächlich das Abwehrsystem besser stärken als eine Impfung. In medizinischen Studien jedenfalls zeigen sich solche Erkenntnisse nicht. Das Immunsystem kann auch nicht erkennen, ob ein fremder Eindringling ein „natürliches“ Masernvirus ist oder ein abgeschwächtes Impfvirus – es stürzt sich einfach auf den Fremdling und speichert seine typischen Merkmale, um bei einem späteren Befall sofort gegen den Feind vorgehen zu können. Deswegen schützt eine Impfung vor Kinderkrankheiten wie Masern und macht gleichzeitig das ganze Immunsystem fit.“

In diesem Teil des Artikels werden sich sicherlich viele Fachleute wiederfinden können. Es gibt viele Argumente, warum die empfohlenen Impfungen heute ausgelassen werden. Gerade Masern zeigt aber, wie wichtig eine gute Impfquote wäre: Diese gefährliche Krankheit würde schon längst ausgerottet sein, wenn es eine höhere Impfdisziplin geben würde.

Wir bedanken uns bei dem Autor für den Artikel und freuen uns, wenn hygienische Themen behandelt werden.