Hygiene: Desinfektion von Wickeltischen

In einer aktuellen Veröffentlichung der VAH (Verbund für Angewandte Hygiene) zeigen die Autoren (Heeg, Eggers, Hübner) die Kriterien auf, die für die Desinfektion von Wickeltischen in Einrichtungen der Kinderbetreuung von Bedeutung sind. Neben der Reinigung und der Entfernung von Bakterien verweisen die Autoren auf mangelhafte Wirksamkeit im Bereich der unbehüllten Viren. Darmerkrankungen (wie Noro) sind in Einrichtungen der Kinderbetreuung durchaus keine Seltenheit. Insgesamt ist dieses Thema noch nicht ausreichend beleuchtet worden, weshalb brennpunkt.hygiene  die Veröffentlöichung zum Anlaß nimmt, die Diskussion weiter zu tragen.

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„Baby on Back“ by Elnaz6 – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Baby_on_Back.jpg#/media/File:Baby_on_Back.jpg

Vielfach wird die Hygiene in Einrichtungen, wo Windelwechsel bei Kindern vorgenommen wird, durchaus mangelhaft durchgeführt. Einrichtungen zur Betreuung kleiner Kinder sind nunmal keine medizinischen Einrichtungen, weshalb zunächst das Thema Desinfektion nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei sind gerade Durchfallerkrankungen keine Seltenheit und werden innerhalb dieser Einrichtungen weitergetragen.

Zwar wird eine Desinfektion in vielen Einrichtungen nach dem Windelwechsel durchgeführt, doch ist das Personal nicht entsprechend ausgebildet und die zur Verfügung stehenden Desinfektionsmittel entsprechen nicht dem Stand der Technik. Vielfach werden Sprays und Tücher aus dem Consumer-Programm der Supermärkte eingesetzt und sind, wenn überhaupt, gerade mal ausreichend bakterizid ausgestattet. Bei diesen Produkten handelt es sich im überwiegenden Maße um Biozide, die derzeit in Bezug auf Wirksamkeit keine spezielle Nachweise erbringen müssen. Nur in wenigen Fällen werden tatsächlich Medizinprodukte eingesetzt, die mögliche Anforderungen weitaus besser erfüllen.

Damit stellt sich die Frage nach den Anforderungen. Die Produkte sollten Bakterien abtöten und möglichst breit Viren inaktivieren. Kommt man jedoch den Forderungen aus der Veröffentlichung der VAH nach, wird man nur noch ein sehr eingeschränktes Angebot an Desinfektionsmitteln finden, welches zudem nicht unerhebliche Risiken im Bereich der Gefahrstoffe birgt.

Giftige Substanzen sind auszuklammern, die Produkte sollten keine Phenole oder Aldehyde enthalten. Auf Grund der fehlenden medizinischen Ausbildung ist davon auszugehen, dass das Desinfektionsmittel nur bedingt richtig angewendet werden. Damit steht fest, dass von dem Desinfektionsmittel keine Gefahren für die Kinder ausgehen darf. Vielmehr sollte das Produkt so geartet sein, das Hautkontakt ungefährlich ist und nicht zu Allergien führt.

Schließlich stellt sich die Frage nach der Anwendung und der Hygiene-Compliance. Unangenehm riechende Produkte werden nur mit Widerwillen eingesetzt und die Compliance leidet. Produkte die abgemischt werden müssen, sind so unpraktisch, dass ein regelmäßiger Einsatz auch unwahrscheinlich wird. Das Produkt muss schnell, möglichst im Minutenbereich, wirken, sollte bei Berührungen mit der Haut unproblematisch sein (Dermatest?) und praktisch zu verwenden sein. Die Benutzung von Desinfektionstüchern bietet sich an, obwohl gerade hier viele Produkte nicht ausreichend oder fehlerhaft sind (siehe Bericht). Desinfektionstücher haben aber den Vorteil, dass durch Wischen die Desinfektionswirkung verbessert wird. Alkoholische Sprays hingegen sind nicht zu empfehlen und werden auch von den Berufsgenossenschaften abgelehnt, die Gefahr durch Einatmen von Aerosolen ist gegeben und die Anwendung in der Praxis oft fehlerhaft.

Rota- und Norovieren stellen sicherlich eine Gefahr in diesen Einrichtungen dar, wobei die Übertragung gerade bei Noro weniger durch Schmierinfektion, sondern über die Aerosole des Erbrochenen zu befürchten ist. Die Autoren führen auch Kinderlähmung (Polio) im möglichen Keimspektrum von Wickeltischen auf, was allerdings reichlich übertrieben wirkt. Sollte ein Produkt gegen Polio wirken sollen, wird man um aldehydische Bestandteile nicht unbedingt herumkommen. Hauptbedrohung bleiben Bakterien, begrenzt viruzid ist absolut notwendig, Rota und Noro sollten mit abgedeckt werden.

Ein Blick auf den Markt für Desinfektionsmittel zeigt, dass die Auswahl klein ist und die Produkte, die geeignet wären nicht zum Einsatz kommen. Von daher ist die Publikation der VAH ein wichtiger erster Schritt.

aktuellen Veröffentlichung der VAH – Desinfektion von Wickeltischen

1 comment

  1. Der vorliegende Bericht ist sicherlich ein sehr wertvoller und wichtiger Beitrag zur Hygiene in der Kinderbetreuung, allerdings wird dieses Thema wohl kaum in angemessenem Maße von den betreffenden Einrichtungen Beachtung finden. Dies liegt zu einem daran dass es oft an Sensibilität und auch an entsprechender Ausbildung mangelt. Des Weiteren sind insbesondere in kirchlichen Einrichtungen die Einrichtungsleiter per Anordnung von „oben“ gezwungen Billigstpreise via Internet einzukaufen, was zwangsläufig dazu führt das unwirksame oder gar giftige Präparate zum Einsatz kommen. Es fehlt ebenfalls die Fachkompetenz entsprechende Hygienepläne mit den VAH-gelisteten Produkten zu erstellen.
    Wie bitteschön sollte man erwarten dass man sich, wie im vorliegenden Bericht aufgeführt, so dezidiert mit den Thema gezielte Desinfektion im Kindergarten beschäftigt?
    Ich bin seit 24 Jahren Hygienefachkraft und habe in sehr vielen Kindergärten entsprechende Hygienekonzepte erstellt. Es ist abenteuerlich was man bei Begehungen in solchen Einrichtungen erleben darf.
    Ich kann nur hoffen das dieses Thema in den Kurrikula der Berufsbildenden Schulen zukünftig entsprechen gewürdigt wird.
    Klaus Stablo HFK

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